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Peter Kurzeck: „Vorabend“

06.09.201120:00 Uhr bis 22:00 Uhr

aufgenommen in die Longlist für den Deutschen Buchpreis 2011

Im Jahr 1982 in Frankfurt-Eschersheim an einem langen Wochenende im Herbst: Der Erzähler ist mit Frau und Kind bei Freunden zu Besuch, vielleicht das letzte Wochenende, bevor die Freunde nach Südfrankreich ziehen. Der Erzähler ist müde. Will schlafen. Um ihn her der Nachmittag und die vertrauten Stimmen und dazu die Stimmen in seinem Kopf. Und dann muss er erzählen! Eine lange Reise. Und der Leser begleitet ihn in das Land seiner Kindheit: das Oberhessen aus der Zeit nach dem Krieg und bis in die Siebziger Jahre.
Gestern noch hier und jetzt ein versunkenes Land, eine Sage. Man muss die ganze Gegend erzählen! Und dazu von den Menschen. Kleinbauern, Handwerkern und Gießereiarbeitern. Den Oberdorfwitwen, den alten Leuten und ihre Geschichten. Und den Kindern, als noch alle Kinder waren. Den alten Kaufläden. Flohmarkt- und Flüchtlingsgeschichten. Wie es bei der Arbeit zugeht. Was die Zeit mit uns macht. Das Fernsehen. Die Liebe. Drei Paargeschichten. Wie man mitten im Pferdefuhrwerk- und Dampflokzeitalter als Sechsjähriger in Lollar am Güterbahnhof bei der amtlichen Waage steht und sich alle Töne und Farben und jede Einzelheit merken möchte. Und der Junge hat keine Wahl, wird ein Dichter. Die Nachkriegs-, die Not-, die Hunger-, die Hamster-, die Schwarzmarkt- und dann die neue und immer noch eine neuere neue Zeit. Der Fortschritt. Ein ganzes Zeitalter und jeder Augenblick fängt zu reden an.

Seit Mitte der neunziger Jahre arbeitet Peter Kurzeck an dem großen autobiografisch-poetischen Projekt Das alte Jahrhundert. Die ersten vier Bände sind bereits erschienen: „Übers Eis“ (1997), „Als Gast“ (2003), „Ein Kirschkern im März“ (2004) und „Oktober und wer wir selbst sind“ (2007). Über das Autobiografische hinaus entsteht so eine faszinierende Zeitgeschichte. Vorabend ist das fünfte von insgesamt zwölf geplanten Büchern, für die restlichen sieben liegen bisher mit rund 900 Seiten rund ein Drittel des voraussichtlichen Umfangs geschrieben vor. Ein besonderes Erlebnis sind die Lesungen Kurzecks, die durch ihre Sprachmelodie und die eigenwillige Stimme des Autoren seine Texte zur Vollendung bringen.

Peter Kurzeck, 1943 in Böhmen geboren und als Flüchtlingskind in Staufenberg im Kreis Gießen aufgewachsen, lebt seit 1970 in Frankfurt am Main, heute außerdem in Uzès, Südfrankreich. Zahlreiche Literaturpreise und Stipendien, u. a.  den Alfred-Döblin-Preis 1991, den Großen Literaturpreis der Bayerischen Akademie der Schönen Künste 1999 und den Hans-Erich-Nossack-Preis 2000. Er war Stadtschreiber von Bergen 2000/2001 und erhielt 2008 den Georg-Christoph-Lichtenberg-Preis.
 

im BlueNote des Cinema-Arthouse